Sinfonische Geschichten aus Kuba

Die Dirigentin Cosette Justo Valdés spannt in ihrem Konzertprogramm einen Bogen über hundert Jahre klassische kubanische Musikgeschichte. Sie lässt sowohl die Musik als auch deren Geschichten für sich sprechen. – Ein Porträt von Inga Trost

Ihr Weg als Dirigentin führte Cosette Justo Valdés durch die ganze Welt. Sie arbeitet in Kanada, in den Amerikas und Europa, wurde in Kuba und Deutschland ausgebildet. Doch angefangen hat alles in der Provinz, genauer: bei einem Klassikfestival im kubanischen Camaguëy. Auf dem Programm standen Bach, Beethoven und Roldán mit «Tres pequeños poemas» Cdas Werk, das sie nun mit nach Winterthur bringt. «Ich habe mich unglaublich verliebt», sagt Cosette Justo Valdés im Gespräch im Dezember. «So viele Möglichkeiten entdecken zu können und die Macht, die der Klang des Orchesters hat. Die Ausdruckskraft in allen Feinheiten, die Mischung der Klänge verschiedener Instrumente – das hat mich fasziniert.»

Mit 18 Jahren nahm Valdés in Havanna ihr Studium zur Orchesterdirigentin bei Jorge López Marín auf. Danach leitete sie Kubas zweitgrösstes Orchester Sinfónica de Oriente (OSO), bevor sie für ihr Masterstudium zu Klaus Arp nach Mannheim ging. Dort lernte sie «viel über die Sensibilität und Geschichte jedes Werkes, den Wert jedes Werkes», wie sie es ausdrückt. Während sie regelmässig in Süddeutschland Konzerte dirigierte, blieb sie Leiterin des OSO in Kuba. In Kanada lebt sie seit 2019 und leitet dort als Gastdirigentin das Edmonton Symphony Orchestra. Valdés ist bekannt für ihr breites Repertoire von alter Musik bis hin zu Pop, manchmal dirigiert sie alles in einem Konzert. Dabei entstehen keine einfachen Collagen – sondern diese Programme erzählen Bögen. Auch für Winterthur stellte sie deshalb nicht einfach die Klassiker aus Lateinamerika zusammen, sondern wählte ausschliesslich kubanische Komponisten aus: «Sonst würde das Programm zu einer regionalen Sache werden», sagt sie. «Ich denke, dass ich ironischerweise, wenn ich mehr über Kuba spreche, viel besser über die historische Kontinuität sprechen kann. Anstatt eine Collage von Werken zu haben, die für mich nicht viel Sinn macht, möchte ich mich lieber auf etwas sehr Spezifisches konzentrieren und in die Tiefe gehen.»

Komponist*innen prägen die kubanische Klassik seit der Barockepoche, sodass Valdés nur einen Ausschnitt zeigen kann. «Ich glaube, dass man einfach nicht viel über die Orchestertradition in Kuba weiss», sagt sie. «Deshalb ist es so wichtig, dass ich diese Werke, die für uns Klassiker sind und die mehr gespielt werden sollten – vor allem ausserhalb Kubas –, bekannt mache, damit das Publikum und die Musikerkolleg*innen das kubanische Orchesterrepertoire kennenlernen.» Kubanische Komponisten wie Roldán und Caturla sind solche Klassiker und wurden auch zu ihrer Lebzeit in den Amerikas und Europa gespielt. Doch sie werden in Westeuropa stets neu entdeckt. «Ich fühle mich sehr geehrt, dass ich in Winterthur Werke präsentieren kann, die dem Publikum unbekannt sind, die aber Teil der Geschichte der symphonischen Bewegung in Kuba sind», sagt Valdés. «Und zwar – das ist sehr wichtig – von der Vergangenheit bis in die Gegenwart.» Auf dem Programm stehen unter anderem der lebende Komponist Guido López-Gavilán und das Vokalquartett Vocal Divas, die ihre Stücke selbst arrangieren: «Das ist die Geschichte, die ich erzählen möchte: eine Geschichte über diese Entwicklung und den Beitrag, den diese Komponisten für die universelle sinfonische Geschichte geleistet haben.»

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Im Konzertprogramm von Dirigentin Cosette Justo Valdés erleben Sie über 100 Jahre klassische kubanische Musikgeschichte. Zum Konzert: GUAGUANCÓ – KUBANISCHE KLÄNGE IM STADTHAUS