Erzählen auf Nah und Fern - Elina Duni im Interview mit Lisa Schön

Erzählen auf Nah und Fern

Im Rahmen des 400-jährigen Jubiläums des Musikkollegiums Winterthur soll das Musikmärchen «Peter und der Wolf» bis 2029 in 29 Sprachen veröffentlicht werden, um es einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Bereits gibt es die Fassung auf Berndeutsch und Französisch, gerade hat das Projekt mit der Veröffentlichung der eingesprochenen Übersetzungen auf Türkisch, Brasilianisch und Albanisch begonnen. Stimme der albanischen Übersetzung für «Peter und der Wolf» ist die Jazzsängerin Elina Duni. Sie wurde 1981 in Albanien geboren und kam 1992 in die Schweiz. Bereits früh in ihrer Karriere begann sie, sich mit Volksliedern ihrer Heimat auseinanderzusetzen und sie in eigenen Jazzarangements zu interpretieren. Neben vielen anderen Sprachen hat sie auch mehrere CDs mit albanischen Liedern veröffentlicht.

Liebe Elina, du wirst "Peter und der Wolf" auf Albanisch lesen. Warum ist es wichtig, Geschichten in mehr als die gängigen internationalen Sprachen wie Englisch zu übersetzen und sie auch einzusprechen?

Je mehr Sprachen gesprochen werden und je mehr etwas in verschiedene Sprachen übersetzt wird, desto reicher wird die Kultur. Nur so beginnen Ideen zu reisen. Ich denke «Peter und der Wolf» ist ein wichtiger Teil der musikalischen Literatur, speziell für Kinder. Es ist ein so kluges Werk, dass es schade wäre, wenn es für albanische Kinder, die kein Deutsch sprechen, nicht zugänglich ist. Dabei ist es mir auch wichtig, dass auch Kinder in Albanien "Peter und der Wolf" hören können, nicht nur die, die hier in der Schweiz Albanisch sprechen.

 

Du wurdest in Albanien geboren und hast dich viel mit albanischem Lied auseinandergesetzt. Warum ist es für dich essenziell, auf Albanisch zu singen?

 

Ich habe meine Karriere als Sängerin mit albanischen Volksliedern angefangen. Albanische Volkslieder in Jazz-Arrangements sind für einige Jahre zu meinem Markenzeichen geworden. Während meiner Kinderzeit in Albanien kannte ich diese Lieder aber gar nicht. Das Land war damals kommunistisch regiert und Volkslieder wurden von der Partei zu Propagandazwecken genutzt. Die Menschen durften nur diese Propagandalieder hören, alles andere war verboten. Erst später, als ich schon in der Schweiz lebte, habe ich alte albanische Volkslieder gefunden und konnte sie aus meiner Perspektive des Jazz in einem anderen Licht sehen. Die Auseinandersetzung mit diesen Liedern war für mich die Möglichkeit, diese beiden Welten zu vereinen, das, was von Albanien und das, was von der Schweiz in mir steckt.

 

Ist das heute anders?

Ja. Heute singe ich in zwölf verschiedenen Sprachen, auch Englisch, Französisch oder Italienisch. Albanien ist für viele immer noch ein sehr unbekanntes Land, aus westeuropäischer Perspektive hat es etwas Mysteriöses, die Geschichte und die Dialekte. Ich hatte damals das Gefühl, mich in meiner Musik damit auseinandersetzen zu müssen. Genauso wie ich jetzt fühle, dass meine Kunst universeller wird und ich mehr auf Englisch schreibe oder Französisch.

 

Mit welchen Klangfarben würdest du die albanische Sprache beschreiben?

Es gibt zwei große albanische Dialekte. Tosk und Geg, Süd- und Nordalbanisch. Und dann gibt es noch Hochalbanisch, das Albanisch, das man schriebt. Die Übersetzung für "Peter und der Wolf" ist auf Hochalbanisch. Viele Leute sagen, es klingt ein bisschen wie Türkisch oder Englisch, für mich klingt es nah und fern zugleich. Das ist das Interessante daran. Wir haben viele lateinische oder türkische Begriffe in unserer Sprache, aber die Worte, die wir wirklich im Alltag sprechen, sind eigene. Albanisch ist eine indoeuropäische Sprache, ist aber innerhalb dieser Sprachgruppe absolut einzigartig.

 

Anders als in deiner Musik nutzt du deine Stimme für «Peter und der Wolf» als Sprecherin. Wie fühlt sich das an?

Ich spreche sehr gern. Ich sage auch immer Gedichte oder andere Texte in meinen Konzerten auf. Es ist außerdem mehr als nur sprechen, es ist das Erzählen eines Märchens. Das ist etwas, das auch in meinen Konzerten stattfindet, das Erzählen von Geschichten ist ein Teil von mir. Ich fühle mich geehrt, der albanischen Nation auf diese Weise meine Stimme geben zu dürfen.

 

Verschiedene Sprachen machen unterschiedliche Dinge sichtbar. Gibt es etwas, wodurch «Peter und der Wolf» auf Albanisch anders wirkt als auf Deutsch?

Ich denke, hier zählt eher der musikalische Wert. «Peter und der Wolf» ist kein literarisches Werk. Die Sprache ist dafür da, eine Aktion zu beschreiben, die im Klang passiert. Die albanische Version ist sehr gut übersetzt, aber es geht nicht um die Sprache per se. Sie ist weniger wichtig als der Klang der Musik.

 

Warum ist «Peter und der Wolf» für dich ein Herzensprojekt?

Musikalische Bildung ist für mich enorm wichtig. Kinder sollten sich schon in frühem Alter mit Musik auseinandersetzen. Es gibt da etwas Verzauberndes, etwas, das man nicht sehen kann. Durch «Peter und der Wolf» können Kinder die reichen Klänge des Orchesters kennenlernen und einen Zugang zu diesen Klängen finden - hoffentlich irgendwann auch im Konzert. Es gibt Kinder, die ohne diese Aufnahme diese Musik vielleicht nicht hören würden. Ich wünsche mir, dass sie dadurch für sich etwas Neues entdecken.

 

Zu den Aufnahmen: musikkollegium.ch/peter

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