Artistic Partners

Fünf Künstlerpersönlichkeiten begleiten das Musikkollegium Winterthur durch die drei Konzertsaisons des Triptychons «Werden – Sein – Vergehen». Sie könnten unterschiedlicher nicht sein, doch allen gemeinsam ist musikalische Neugierde, Offenheit, Vielseitigkeit und das Streben nach Exzellenz. Mit ihren Auftritten verleihen sie dem Orchester wie auch dem Publikum belebende Impulse und schaffen bleibende Erinnerungen.

Unterstützt durch Giuseppe Kaiser Stiftung

Barbara Hannigan

Wer mit ihr spricht, spürt schnell eine «Aura des Besonderen». Stets ist Barbara Hannigan auf der Suche, befragt ihre vielfältige künstlerische Tätigkeit immer wieder von Neuem – offen und wissbegierig. Sie scheut keine Risiken, kennt keine Grenzen und scheint alles zu können. 2005 war sie zum ersten Mal beim Musikkollegium Winterthur zu Gast, und die vergangene Saison prägte sie als Artistic Partner sowohl dirigierender- als auch singenderweise. Zuweilen sogar beides gleichzeitig. Wer macht ihr das nach? Zu erleben ist sie erneut und ebenfalls als Dirigentin und Sängerin im Neujahrskonzert des Musikkollegium Winterthur. «Girl Crazy» von George Gershwin bringt sie da zur Aufführung – ist sie nicht selbst ein Crazy Girl? Unfassbar vielseitig und musikalisch ungemein agil. Zudem ist sie als Sängerin in einem Kammermusikabend mit dem Winterthurer Streichquartett zu bewundern, wo es aparte Musik aus der Umbruchzeit vom 19. ins 20. Jahrhundert zu entdecken gibt.

ZUM KONZERT

Jean-Guihen Queyras

Artistic Partner bedeutet für den aus Kanada stammenden französischen Meistercellisten Jean-Guihen Queyras etwas Besonderes: «Als reisender Solist hat man ein recht chaotisches Leben.» Umso wichtiger seien Anker im Terminplan, Orte, die er bereits kenne und ein inspirierendes Publikum, das ihn ebenfalls kenne und schätze: «Das ist dann für mich ein kleines Stück Zuhause.» In der vergangenen Saison gastierte Jean-Guihen Queyras zum ersten Mal beim Musikkollegium Winterthur – nun kommt er als Solist zurück. Ganz allein. Für seinen Auftritt hat er sich vier von Johann Sebastian Bachs sechs Solosuiten für Violoncello ausgesucht, bekanntlich ein Mount Everest im weitläufigen Cellorepertoire. Entscheidende Einsichten in die Welt der Alten Musik erhielt Jean-Guihen Queyras zuerst von Nikolaus Harnoncourt. «Mit Anfang zwanzig war ich dann in einem Meisterkurs von Gustav Leonhardt. Ich konnte vorher nicht Bach spielen. Danach konnte ich es. Der Mann hat meine Wahrnehmung geändert.»

ZUM KONZERT

Sir András Schiff

Nur einen Monat nach seinem 70. Geburtstag kehrt Sir András Schiff zum Musikkollegium Winterthur zurück. Jetzt in seiner zweiten Saison als Artistic Partner. Die erste hat er mit Beethovens erstem Klavierkonzert eröffnet. Nun widmet er sich Mendelssohn – für ihn eine Herzensangelegenheit: «Ich liebe Mendelssohn sehr. Mendelssohns Musik ist sehr tiefgründig, zudem hat er wunderbar für das Klavier geschrieben. Seine Jugendkompositionen kann man nur mit Mozart messen.» Erleben Sie Sir András Schiff in Mendelssohns romantisch-virtuosem ersten Klavierkonzert, dem Werk eines 22-Jährigen, und lassen Sie sich anschliessend nach Schottland entführen. Eine Entdeckungsreise übrigens, die Felix Mendelssohn im Sommer 1829 selbst unternommen hatte – zum Holyrood Palace, wo Maria Stuart einst lebte, sowie zu den Hebriden-Inseln. Dort hatte er seine ersten Einfälle sowohl zur «Schottischen» Sinfonie, seiner dritten, als auch zur Ouvertüre «Die Hebriden» notiert: zwei erzromantische Meisterwerke.

ZUM KONZERT

Reinhard Goebel

Als junger Mann hat er provoziert, weil er Alte Musik nach den historischen Gegebenheiten ihrer Zeit und der damaligen Aufführungspraxis spielte. Das war nicht nur neu, sondern auch aufregend. Wobei sich damals wohl viele zu sehr aufgeregt hatten und in Rage kamen ob solcher authentischer Klänge. 33 Jahre lang perfektionierte sie Reinhard Goebel mit seinem Ensemble Musica Antiqua Köln. Nicht umsonst wird er heute als «Ikone der Alten Musik» (Süddeutsche Zeitung) gefeiert. Noch weiser ist er mittlerweile geworden, aber sicher nicht leiser. Nach wie vor sprüht und glüht es nach Kräften, wenn er dirigiert. In dieser Saison fokussiert er sich ganz auf Georg Philipp Telemann, und das gleich in zwei Konzertprogrammen im Rahmen der Barock-Tage. Telemann war bekanntlich ein recht extravaganter Typ, und das wiederum passt hervorragend zu seinem schlagfertig-gewitzten Adepten Reinhard Goebel.

ZUM KONZERT

Caroline Shaw

Mit zwei Jahren lernte sie Geige spielen. Ihre Mutter, eine Sopranistin, brachte ihr das Singen bei. Wie wichtig dabei das Atmen ist, lernte sie von ihrem Vater, einem Lungenarzt von Beruf. «Der Atem ist für mich eine der ausdrucksstärksten Qualitäten im Gesang und in der Musik», sagt Caroline Shaw. So weit, so gut. Doch irgendwann wurde ihr das Korsett ihrer klassischen musikalischen Ausbildung zu eng – also kamen Folk, Blues, Jazz, Pop und Rap hinzu. Und später das Komponieren. In ihrer Vielseitigkeit setzt Caroline Shaw neue Massstäbe. Zu erleben war das bereits in der vergangenen Saison, als sie eigene Kompositionen vorstellte. Nun kehrt die Künstlerin zum Musikkollegium Winterthur zurück. «Roomful of Teeth» ist der verheissungsvolle Name ihres Gesangsensembles, das sie mitbringt. Die Sänger*innen singen nicht nur, sie sprechen auch, summen, schmatzen, stöhnen, schnaufen – alles das, was man mit dem Mund (einem «Raum voller Zähne») eben machen kann. Wenn man’s kann.