Junge Dirigent:innen der ZHdK
Mi 06.Nov 2024 19.30Was gäbe man darum, für einmal dort vorne zu stehen, oben auf dem Konzertpodium, mit dem Rücken zum …
Der Engel war von mädchenhafter Gestalt, und jeder, der sie kennen lernen durfte, war beeindruckt von ihrer zarten Schönheit. Manon Gropius hiess sie, mit Kosenamen «Mutzi», die Tochter von Alma Mahler und des Architekten Walter Gropius, ihres zweiten Gatten. Während eines Aufenthaltes in Venedig erkrankte Manon an Kinderlähmung, und ein Jahr später erlag sie, erst 18-jährig, ihrer Krankheit. Ihre Beerdigung wurde zu einem gesellschaftlichen Wiener Grossereignis. Alban Berg, auch er fasziniert von Manon, widmete der Verstorbenen sein einziges Violinkonzert «Dem Andenken eines Engels». Es ist sein letztes Werk, das er wenige Monate vor seinem Tod noch vollenden konnte ‒ ein Requiem für Manon, das auch sein eigenes werden sollte. Auf dem emotionalen Höhepunkt des Werks zitiert Berg den Bach-Choral «Herr, wenn es Dir gefällt, so spanne mich doch aus» ‒ ein Klagegesang, der den ganzen Schlussteil des Violinkonzerts trägt und wohl keinen unberührt lässt. In dieser Tradition steht auch «Nachruf» von Arne Nordheim, gut zwanzig Jahre später entstanden, als Nachhall eines tiefen Gefühls, wo langsame Melodiebögen wie aus dem Nichts auftauchen und wieder in der Stille versinken ‒ wie ersterbende Wellen, die sich im Spiegelglanz eines ruhigen Sees auflösen. Pures Sein.